Geschäftsbericht 2014.2015Haltung schafft Vertrauen

Über Glaubwürdigkeit und Leidenschaft in der Politik

Das Vertrauen bröckelt. Schon seit Längerem erleben wir eine zunehmende Entfremdung zwischen Bürgern, Wirtschaft und Politik. Im vergangenen Jahr hat es diese Erkenntnis von einer schwer quantifizierbaren, individuell geprägten Wahrnehmung der politischen Stakeholder bis in die Meinungsumfragen und sogar auf die Titelseiten politischer Magazine geschafft. Doch Vertrauen beruht immer auf Gegenseitigkeit. So vertraut der Staat nicht mehr in einen mündigen Bürger und in eine verantwortungsvolle Wirtschaft. Regulierungsdichte und -intensität nehmen stetig zu. Der Staat schwingt sich in Teilen selbst zum gestaltenden Marktakteur auf oder diktiert Lebensentwürfe des Einzelnen im Sinne einer Verzichtskultur. Eigenverantwortliches Handeln wird dem Bürger, dem Verbraucher und den Unternehmen kaum mehr zugetraut.

 

Demokratie ist die Staatsform des Vertrauens

 

Dabei ist das Vertrauen von Politik, Bürgern und Wirtschaft untereinander geradezu systemrelevant. Die gewählten Volksvertreter handeln im Namen der Bürger. Voraussetzung dafür ist es, die Abgeordneten mit Vertrauen auszustatten. Wem vertrauen wir? Wem glauben wir? Der Professor für Öffentlichkeitsarbeit Günter Bentele sieht Glaubwürdigkeit als Teilphänomen von Vertrauen. Er schreibt: „Akteure werden dann als glaubwürdig wahrgenommen, wenn die Erwartung beziehungsweise die Erfahrung vorhanden ist, dass deren Aussagen beziehungsweise ihr gesamtes kommunikatives Handeln richtig/wahr und konsistent sind.“

Die Politik sieht sich damit gleich zwei Schwierigkeiten ausgesetzt. Zum einen muss sie sich im oftmals als Haifischbecken titulierten politischen Raum behaupten. Zum anderen handelt sie auch täglich kommunikativ – in Zeiten einer durch die Digitalisierung entstandenen medialen Vielfalt sogar teilweise mehrmals täglich. Dabei stellt sich bei manchem „O-Ton-Geber“ die Frage, welche Halbwertzeit seine Aussagen haben. Man könnte es mit dem etwas aus der Mode gekommenen Wort Haltung beschreiben, welches in der Politik zumindest gefühlt weniger wahrgenommen wird als früher. Für die Gesellschaft und für uns als Industrie ist es schwer einzuschätzen, welche Aussagen längerfristig, über die Grenzen einer Legislaturperiode hinweg, Bestand haben werden. Damit wird das Vertrauen auf die Probe gestellt.

BEISPIEL 1: Die politische Diskussion über Kohlekraftwerke

Noch im Dezember 2013 stellt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fest, man könne nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen. Seiner Ansicht nach würden Kohlekraftwerke noch auf mehrere Jahrzehnte ihre Berechtigung haben.

Am 9. November 2014 wird über einen Streit zwischen Gabriel und Bundesumweltministerin Hendricks über die Klimaziele der Bundesregierung berichtet: Hendricks will Kohlekraftwerke abschalten, Gabriel bleibt bei seinem Nein. Bereits zwei Tage darauf kommt die Einschränkung, Gabriel wolle „die Entscheidung über das Abschalten einzelner Kraftwerke den Unternehmen überlassen“.

Mitte März 2015 legt Gabriels Haus ein Eckpunkte-Papier vor, mit dem er Braunkohlekraftwerke indirekt zum Abschalten zwingen will.

 

BEISPIEL 2: Die Steuer-Posse um das Reverse-Charge-Verfahren

Reverse Charge steht für die Umkehrung der Steuerpflicht, bei der der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bezahlen muss. Versteckt in einem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens wird das Reverse-Charge-Verfahren für den Handel mit Neumetallen zum 1. November 2014 eingeführt. Den Unternehmen bleiben drei Monate für die Umstellung von Materialwirtschaft, Rechnungswesen und Finanzbuchhaltung auf das neue und komplexe Verfahren. Die Fristen werden anschließend auf Ende Dezember 2014 und später ein weiteres Mal auf Mitte 2015 verlängert.

Nach Hinweisen der betroffenen Verbände und Branchen werden die Regelungen im laufenden Umstellungsverfahren erneut radikal geändert. Ein teures Hin und Her für die Unternehmen und das Gegenteil von Planungssicherheit.

 

BEISPIEL 3: Die versteckte CO2-Steuer der Regierung

In der Klimapolitik haben die regierenden Parteien stets betont, man wolle keine CO?-Steuer einführen. Man setze mit dem Emissionshandel auf ein marktwirtschaftliches Instrument, welches CO?-Einsparungen auf dem wirtschaftlich günstigsten Weg erreiche.

Mit der Marktstabilitätsreserve, für die sich die Bundesregierung vehement eingesetzt hat, wird nun zusätzlich zu der im Emissionshandelssystem festgelegten CO?-Höchstmenge auch noch ein Preissignal gesetzt.

Das ist eine CO?-Steuer unter dem Deckmantel des marktwirtschaftlichen Instruments und widerspricht damit früheren Aussagen der politischen Entscheidungsträger.

 

Eine Kultur des Misstrauens schafft ihre Kampagnen 

 

Welche Aussagen haben Bestand? Im September 2014 berichtet der Spiegel unter der Überschrift „Regieren nach Zahlen“, die Kanzlerin orientiere ihre Arbeit viel stärker an Umfragen als bislang bekannt. Es zeige sich, dass es eine profane Erklärung für die bei politischen Entscheidungen abwartende Haltung der Kanzlerin geben könnte. „Auch die Bürger müssen sich erst eine Meinung bilden und diese in Umfragen für die Bundesregierung zum Ausdruck bringen“.

Trotz der angeblichen Fokussierung auf demoskopische Ergebnisse genießt die Kanzlerin unzweifelhaft und vermutlich zu Recht das Vertrauen der Bürger. Zugleich aber behindert eine abwartende, umfragenbasierte und inkonsistente Politik den Diskurs über den richtigen Weg in die Zukunft.

Wenn eine konsistente Haltung keine Rolle mehr spielt, wenn nun Umfragen Meinungen bilden und sich nicht mehr umgekehrt nur Meinungen in Umfragen abbilden, wenn im hochtourigen Kommunikationsumfeld der Politik wichtiger ist, dass etwas gesagt wird und nicht mehr, was gesagt wird, vergibt die Politik die Möglichkeit, künftige Entwicklungen aktiv mitzugestalten, sie wird reaktiv. Dabei sollte sie durch Handeln Gegenwert gestalten und Zukunft schaffen.

Stattdessen öffnet sie regelrecht die medialen Tore für eine überschaubare Gruppe von lautstarken Nein-Sagern, deren Projektionsfläche in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals in einem Missverhältnis zur Zahl ihrer tatsächlichen Unterstützer steht. Kampagnen, zum Beispiel die der TTIP-Gegner,begründen ihren Erfolg auf einer Kultur des Misstrauens und des Pessimismus. Ihren Nährboden findet die Bewegung in diffusen Globalisierungsängsten und der Kritik an einer angeblichen Postdemokratie.

 

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