Geschäftsbericht 2014.2015Keine halben Sachen für einen ganzen Planeten

Mehr Geld führt nicht automatisch zu mehr Klimaschutz. Erst recht nicht, wenn nur eine Hälfte der Welt investiert, während in der anderen Hälfte die Emissionen steigen. Ein Umdenken wäre erforderlich.

„Denke global, handle lokal.“ Das Thema Klimaschutz ist schon lange keine abstrakte Debatte im politischen Raum mehr. Der Klimawandel ist in den vergangenen 30 Jahren in den Mittelpunkt des politischen und des gesellschaftlichen Interesses gerückt. Das Kyoto-Protokoll im Jahr 1992 und die Konferenz von Kopenhagen im Jahr 2009 markieren dabei Durchbruch und Höhepunkt.

Unzählige Initiativen wurden ins Leben gerufen, von der Europäischen Union über die Mitgliedstaaten bis hin zu Landesregierungen und Kommunen. Gesetze und Vorschriften wurden erlassen; neue Märkte für Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind entstanden.

Klimaschutz und Klimapolitik haben Eingang in nahezu jeden Lebensbereich gefunden. Klimaschutz ist überall und um uns herum, am Arbeitsplatz, zu Hause und auf Reisen.

 

Von Kyoto nach Paris

 

Die Vielfalt der Themen und Regeln ist inzwischen kaum noch zu überblicken. Alltägliche Fragen des Konsums können zu Grundsatzentscheidungen werden. Wir drohen im Klein-Klein des politischen Alltags die globalen Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren und die Relationen zu verkennen.

Während einige Kommunen mit öffentlichen Mitteln die Vollversorgung aus erneuerbaren Energien anstreben, erzeugt ein neu gebautes Kohlekraftwerk in China fünf Millionen Tonnen CO2. Allein dieses Beispiel zeigt: Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung und bedarf globaler Strategien. Wer dies missachtet und stattdessen nur noch den Alltag der Bürger hierzulande in den Fokus nimmt, gefährdet perspektivisch die Glaubwürdigkeit und Bedeutung der Klimapolitik.

 

Nicht Geld allein zählt

 

Der gesellschaftliche Anspruch an Politik und Wirtschaft lässt sich in den Schlagworten effektiver und kosteneffizienter Klimaschutz zusammenfassen. Eine Maßnahme greift nicht unbedingt besser, wenn sie mehr Geld kostet. Dies ist anhand zahlreicher Beispiele zu belegen und betrifft ebenso den Klimaschutz. Wenn eine Hälfte der Welt versucht, ihre Treibhausgasemissionen zu mindern, hat dies nur eine positive Wirkung, wenn in der anderen Hälfte die Emissionen nicht in gleicher Höhe steigen.

Aber genau dies geschieht seit dem ersten weltweiten Abkommen zum Schutze des Klimas. 1992 wurde im japanischen Kyoto verbindlich verabredet, bis 2012 weniger Treibhausgase auszustoßen. Doch im weltweiten Maßstab lässt sich seit dem Kyoto-Protokoll nur eine Phase beobachten, in der die Emissionen gesunken sind: während der großen Rezession 2008/2009, ausgelöst durch die Finanzkrise.

  

Viele Interessenkonflikte vor dem Gipfel

 

Aller europäischen und auch internationalen Bemühungen zum Trotz ist bis heute keine Lösung gefunden worden, globales Wachstum mit globalem Klimaschutz zu verbinden. Mit halben Sachen lässt sich der CO2-Ausstoß auf einem ganzen Planeten nicht senken.

Dies führt vor der kommenden Konferenz in Paris zu einer schwankenden Stimmung zwischen „Jetzt erst recht“ und „So kann es nicht weiter gehen“. Die Interessenkonflikte sind zahlreich und nehmen noch weiter zu. Das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen Industriestaaten und Schwellenländern ist spätestens seit der Konferenz 2009 in Kopenhagen ausden Fugen geraten. Europa ist mehr oder weniger isoliert. Vermutlich werden in Paris wie in den Vorjahren die USA und China ihre Interessen durchsetzen. Beide Staaten wollen wie Europa die Emissionen langfristig senken. Allerdings haben China und die USA gänzlich andere Vorstellungen davon, wann die Eindämmung der Emissionen beginnen und welche Regionen der Welt den entscheidenden Beitrag zur Senkung der Emissionen liefern sollen.

 

Hoher Erfolgsdruck in Paris

 

Seit Beginn der internationalen Verhandlungen nimmt Europa eine Vorreiterrolle ein und versucht mit seiner Vorbildfunktion Nachahmer für den Klimaschutz zu finden. Doch andere Industrieländer haben sich von dieser Idee eher entfernt als sich ihr angenähert. Während in Europa die Treibhausgasemissionen seit 1990 um mehr als 20 Prozent reduziert wurden, haben sich die weltweiten Emissionen seither verdoppelt. Dazu haben sowohl die Steigerungen in den

Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Indonesien als auch in den Industrieländern USA, Japan, Kanada und Australien beigetragen. Aus der Sicht Chinas und anderer Schwellenländer ist es eine sinnvolle Strategie, mittelfristig auf das eigene Wachstum zu setzen und von den Industrieländern Vorleistungen zu verlangen.

Die Verhandlungspartner stehen vor der Konferenz in Paris unter hohem Druck, ein positives Ergebnis zu erzielen. Angesichts der unterschiedlichen Interessen ist ein erneuter Formelkompromiss vorgezeichnet. Es dürfte aber im Sinne effektiver Fortschritte beim Klimaschutz nicht ausreichen, sich  erneut lediglich auf zukünftige Verhandlungen über konkrete Emissionsminderungen zu verabreden.

Noch viel weniger dürfte es ausreichen, auf dieser Grundlage die Klimapolitik in Europa auf dem geplanten Pfad über 2020 hinaus fortzusetzen. Denn es besteht die reale Gefahr, dass die bis 2050 vorgesehenen CO2-Minderungen in Europa durch das Wachstum andernorts mehrfach überkompensiert werden. Es bedarf einer Vereinbarung, die weltweit gilt und spürbare Beiträge aller Staatengruppen umfasst.

  

Wohin steuert Europa?

 

Über Erfolgsaussichten und das Verhandlungsgeschick der Europäischen Union gibt es geteilte Meinungen. Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung setzen weiterhin auf ein internationales und verbindliches Abkommen.

Dabei erfahren sie von den Wirtschaftsverbänden breite Unterstützung. Vor allem die Grundstoffindustrie knüpft ihre Unterstützung an zumindest vergleichbare internationale Wettbewerbsbedingungen.

Dies ist für die NE-Metallindustrie in Europa existenziell. Nur unter gleichen Bedingungen, also zu gleichen CO2-Kosten, sind Investitionen in Europa rentabel. Zu befürchten ist allerdings, dass es in der Europäischen Union bis 2030 spürbar höhere CO2-Preise geben wird als in anderen Regionen. Die aktuelle Debatte über eine Marktstabilitätsreserve zielt sogar direkt darauf ab, im europäischen Emissionshandelssystem den CO2-Preis zu erhöhen. Der von der Metallindustrie geforderte Ausgleich vor allem für die indirekten CO2-Kosten im Strompreis erfolgt dennoch nur teilweise und unter Haushaltsvorbehalt.

Selbst unter den heute geltenden Regeln ist ein Anstieg des CO2-Preises um 10 Euro je Tonne mit Zusatzkosten von rund 30 Millionen Euro verbunden, für die es keinen Ausgleich gibt. Das Vertrauen in das Instrument Emissionshandel und die Politik wird dadurch beschädigt. Der jüngste Vorstoß der Bundesregierung einer CO2-Sonderabgabe für ältere Kohlekraftwerke würde zusätzlich und ohne Ausgleich den Strompreis erhöhen.

 

Mut zum Umdenken für eine neue Weichenstellung

 

Die erfahrenen Akteure der internationalen Klimaverhandlungen suchen inzwischen nach neuen Wegen. Anknüpfungspunkte bilden die weltweiten Themen wie Bevölkerungswachstum, Energie- und Ressourcenknappheit. Hier bedarf es ebenfalls durchgreifender Lösungsstrategien. Für Energie- und Ressourceneffizienz entstehen Märkte, die Technologien und Kompetenzen hervorbringen, nach denen im Sinne des Klimaschutzes dringender Bedarf besteht. Eine Weichenstellung in diese Richtung verlangt Umdenken und Mut. Die NE-Metallindustrie wäre hierbei als Problemlöser eine Schlüsselindustrie.

Sie könnte sich mit ihren innovativen Werkstoffen positionieren und wieder mehr in Deutschland investieren. Wir setzen uns für eine Klimapolitik ein, die gemeinsam mit der Industrie nach internationalen Wegen und Lösungen sucht, die Emissionen zu senken. Es ist im globalen Interesse.

 

Dieser Artikel ist in unserem Geschäftsbericht 2014.2015 erschienen – den vollständigen Geschäftsbericht finden Sie hier

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