RohstoffpolitikPartnerschaft statt Protektionismus

Noch vor wenigen Jahren war das Thema Rohstoffe politisch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt Papier. Stetig beginnt es sich mit konkreten Maßnahmen zu füllen. Der ausgewogene und pragmatische Duktus der jüngsten Entscheidungen sollte Leitlinie für die Zukunft sein.

In den zurückliegenden Jahren haben die EU-Kommission mit der Raw-Materials-Initiative und die Bundesregierung mit der Rohstoffstrategie ihre Agenden vorgestellt und damit die strategische Bedeutung des Themas unterstrichen. Die NE-Metallindustrie hat sich nicht nur frühzeitig in die Diskussion eingebracht, sondern diese aktiv mit vorangetrieben. Das Engagement der Branche ist auch in Zukunft gefragt. Die notwendigen Handlungsfelder für Politik und Wirtschaft ergeben sich aus einer näheren Betrachtung der Situation auf den Rohstoffmärkten, wo wir mit einer angespannten Versorgungs- und Preissituation konfrontiert sind. Ausschlaggebend ist eine Reihe von Bedingungen, die insbesondere in ihrem Zusammenspiel negativ wirken. Die geologische Verfügbarkeit von Rohstoffen ist dabei nicht der limitierende Faktor für die Versorgungssituation. Der Globus ist mit Rohstoffen gut bestückt. Die Entdeckung weiterer Vorkommen und verbesserte Abbaumethoden werden in Zukunft die Reserven stärken. Hinzukommen wird eine Weiterentwicklung des Recyclings. Problematisch ist allein die ungleichmäßige Verteilung der natürlichen Ressourcen und Lagerstätten. Die Weltrohstoffproduktion konzentriert sich bei einigen industrierelevanten Rohstoffen auf wenige, zum Teil politisch instabile Länder. Das bekannteste Beispiel sind die Seltenen Erden. Die Reserven sind mehr als ausreichend und verteilen sich – mit einer Ausnahme weniger spezifischer Elemente – relativ ausgewogen auf Nord- und Südamerika, Asien und Australien. Nur die Gewinnung findet heute fast ausschließlich in Asien statt. Diese territoriale Gebundenheit führt zu einer untrennbaren Verbindung von Rohstoffmärkten und Politik. Die Wto an ihren grenzen Hinzu kommen Handels- und Wettbewerbsverzerrungen. Machtvolle Marktakteure wie China verfolgen eine gezielte und strategische Rohstoffsicherungspolitik. Es wird mit Exportquoten und hohen Ausfuhrzöllen gearbeitet. Das Regulativ der WTO erhält damit eine zunehmende Bedeutung. Der Instrumentenkasten, der für die Durchsetzung der multilateralen Liberalisierung und Regulierung des Welthandels zur Verfügung steht, stößt dabei an seine Grenzen. Von den Urteilssprüchen der WTO, dass Exportbeschränkungen gegen internationale Handelsvereinbarungen verstoßen, zeigt sich China unbeeindruckt. Die Volksrepublik hat Anfang 2012 angekündigt, die Exportquote für Seltene Erden trotz steigender Nachfrage weiter zu senken. Die Folge sind steigende Preise für die Rohstoffe und ungerechtfertigte Vorteile für Chinas Unternehmen. Gleichzeitig stecken die Verhandlungen der Doha Development Agenda in einer Sackgasse. Es besteht kaum noch Hoffnung auf einen Durchbruch. Zu befürchten sind zunehmender Protektionismus und ein erschwerter Zugang zu den Märkten – eine schwierige Perspektive für die exportorientierte deutsche Industrie. Schon heute spricht die Statistik bei den Handels- und Wettbewerbsverzerrungen eine deutliche Sprache: So hat sich die Zahl der Exportbeschränkungen in den vergangenen drei Jahren annähernd verdreifacht, von 450 im Jahr 2008 auf über 1.200 im Jahr 2011.

Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse sind es folgende Weichenstellungen, die eine erfolgreiche Rohstoffpolitik der Zukunft aus Sicht der NE-Metalle charakterisieren:
 
1. Die Diversifizierung der Gewinnung und der Bezugswege von Rohstoffen, damit langfristig Engpässe und Abhängigkeiten vermieden werden.

2. Die Schaffung eines internationalen level playing field, um auch auf den Märkten der Zukunft erfolgreich mitzuspielen.

Rohstoffpolitik als gemeinsame Herausforderung

Die Umsetzung darf nicht als singuläre Aufgabe der Politik begriffen werden, sondern vielmehr als gemeinsame Herausforderung, die auch die Wirtschaft bereit ist anzunehmen. So ist und bleibt die Beschaffung von Rohstoffen vorrangig Aufgabe der Unternehmen. Um die Rohstoffversorgung auf eine breitere und damit verlässlichere Basis zu stellen, muss ein Weg gefunden werden, mit dem zusätzliche Vorkommen erschlossen und nutzbar gemacht werden können. Mit der Allianz zur Rohstoffsicherung hat die deutsche Industrie eine deutliche Initiative in diese Richtung ergriffen. Sie wurde maßgeblich von WVM-Präsident Ulrich Grillo auch in seiner Funktion als BDI-Vizepräsident initiiert sowie vorangetrieben und befindet sich seit 2012 in der konkreten Gründungsphase. Ziel der Allianz ist es, in der Industrie gemeinsam Beteiligungen bei Rohstoffprojekten im Ausland aufzubauen, um die Versorgungssicherheit der deutschen Industrie bei Rohstoffen zu verbessern. Eine Reihe von WVM Mitgliedsunternehmen gehört zu den Gründungsmitgliedern. Flankiert wird die Initiative der Industrie durch die bilateralen Rohstoffpartnerschaften, die die Bundesregierung zunächst mit der Mongolei und mit Kasachstan abgeschlossen hat. Das Konzept der Rohstoffpartnerschaften ist ein wesentliches Element der Rohstoffstrategie der Bundesregierung. Die Partnerschaften mit einzelnen Ländern sollen einerseits den diskriminierungsfreien Zugang deutscher Unternehmen zu den dort jeweils vorhandenen Rohstoffen sicherstellen und andererseits die nachhaltige Entwicklung des Rohstoffsektors sowie die Stärkung der Governance-Strukturen in den Partnerländern fördern. Die Abkommen bilden den politischen Rahmen, in dem Unternehmen in eigener Verantwortung Verträge schließen.
 
Energiepolitik als Blaupause der Regulierung
 
Diese ersten konkreten Maßnahmen von Wirtschaft und Politik stellen wichtige und sinnvolle Schritte in Richtung einer ganzheitlichen Rohstoffpolitik dar. Sie sind jedoch nur der Auftakt. Das Thema Rohstoff- und Ressourceneffizienz ist eines der Megathemen der Dekade.

Der zunehmenden Nachfrage stehen begrenzt verfügbare Ressourcen gegenüber und die Frage, wie diese gerecht zu verteilen sind. Die NE-Metalle nehmen in dieser Fragestellung eine Sonderrolle ein. So werden sie vielfach noch als endliche Rohstoffe betrachtet, wobei völlig außer Acht gelassen wird, dass gewonnenes Metall nicht nur einmal, sondern unbegrenzt wiederverwendet werden kann und das ohne Verlust seiner spezifischen Eigenschaften. NE-Metalle werden daher nicht verbraucht, sondern gebraucht. Ihre Exploration erhöht den Vorrat in dem NE-Metall- Pool, der künftigen Generationen in der Wiederverwendung zur Verfügung steht. Die Entwicklung, die in den zurückliegenden zehn Jahren im Bereich der Klima- und Energiepolitik zu beobachten war, kann als Blaupause für die kommenden Jahre im Bereich der Rohstoff- und Ressourcenpolitik begriffen werden. Wir sehen uns am Beginn einer umfassenden staatlichen Regulierung, die von den aus der Klima- und Energiepolitik bereits bekannten Instrumenten geprägt sein wird. Entscheidend wird dabei sein, welche Lehren aus den Erfahrungen der Vergangenheit gezogen werden. Werden wir weiterhin einen Staat erleben, der gesellschaftliche Lebensentwürfe im Sinne einer Verzichtskultur vorgibt? Werden wir weiterhin einen Staat erleben, der nicht nur absolute Ziele definiert, sondern auch den Weg eng umreißt, der zur Zielerreichung beschritten werden soll? Wird die Verantwortung für das Erreichen der Ziele weiterhin nicht bei denjenigen liegen, die sie gesetzt haben? Die Tendenz der Verantwortungsverlagerung von den Entscheidern und den Bürgern zu den Akteuren ist schon heute – im Anfangsstadium einer umfassenden Regulierung des Rohstoff- und Ressourcenthemas – deutlich erkennbar. Wo ein Produkt- oder Verwendungsverbot besteht, wird dem Verbraucher eine eigenverantwortliche Entscheidung abgenommen, weil ihm vernünftiges Handeln nicht zugetraut wird. Das Verbot über das Inverkehrbringen von Glühlampen wird nur der Anfang einer Reihe von Produktverboten sein. Gleichzeitig wird die Verantwortung für das Erreichen der übergeordneten politischen Zielsetzungen in die Verantwortung von Wirtschaft und Industrie gelegt. Jüngstes Beispiel aus dem Bereich der Rohstoffpolitik ist der Dodd-Frank-Act. Das US-amerikanische Gesetz sieht eine umfangreiche Reform der amerikanischen Finanzmärkte vor. Es führt jedoch auch Meldepflichten für sogenannte Konfliktrohstoffe aus der Demokratischen Republik Kongo ein. Die dahinterstehende Intention, die Finanzierung des Konflikts in der Demokratischen Republik Kongo zu unterbinden, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern findet auch die uneingeschränkte Unterstützung der NE-Metallindustrie. Die Befriedung von Konflikten und die Kontrolle ihrer Finanzierung und die Durchsetzung einer guten Regierungsführung sind jedoch gesamtgesellschaftliche Aufgaben und können nur durch eine kohärente Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf nationaler und internationaler Ebene erreicht werden. Die Wirtschaft kann diesen Prozess unterstützen, ihn aber nicht ersetzen. Die Erkenntnisse aus der Klima- und Energiepolitik sollten uns erinnern: Das Fehlen einer internationalen Harmonisierung führt zu Wettbewerbsverzerrungen und riskiert Produktionsverlagerungen in Länder mit niedrigeren Umweltstandards. Mit geringerer Produktion sinken in Deutschland zwar die Umweltbelastungen, international betrachtet steigen sie jedoch an. Die schlichte Kombination von enger nationaler oder europäischer Regulierung und Verlagerung der Verantwortung wird der Komplexität und Vielschichtigkeit des Rohstoffthemas eben nicht gerecht. Der vernünftige und nachhaltige Weg zu einer Rohstoffpolitik der Zukunft führt über eine langfristige vertikale Verankerung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Ebenso ist die horizontale Verzahnung des Themas in allen betroffenen Politikbereichen (Umwelt- und Klimapolitik, Außen- und Sicherheitspolitik, Forschungs- und Innovationspolitik sowie Entwicklungspolitik) unerlässlicher Bestandteil einer ganzheitlichen Rohstoffstrategie. Die NE-Metallindustrie bringt sich als kompetenter und verlässlicher Partner auf diesem Weg ein.

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