Deutschland wird zum Anker EuropasDie Antwort auf die europäische Schuldenkrise heißt mehr Europa

Als Wirtschaftsraum hat sich die EU mit ihren den Wettbewerb fördernden Institutionen rund fünf Jahrzehnte außerordentlich gut bewährt. Ökonomisch betrachtet war und ist Europa die richtige Antwort auf die Globalisierung. Dieser positiven Außensicht steht die aktuelle Innensicht diametral gegenüber. Die nationalen Regierungen misstrauen den Initiativen der Kommission und setzen nationale Interessen zulasten des Gemeinschaftsgedankens durch.

Die Stärkung von Rat und Parlament durch den Vertrag von Lissabon hat durch die damit verbundenen Kompetenzverluste der nationalen Parlamente die Desintegration Europas eher noch verstärkt. Auch nach Lissabon ist die demokratische Legitimation auf europäischer Ebene unzureichend gesichert. Wird der Versuch unternommen, Solidarität gegen Widerstände in der eigenen Bevölkerung zu verankern, so beginnt dieser Prozess, der auf Einigung ausgelegt sein soll, seine zentrifugalen Kräfte zu entfalten. Vorstellungen eines europäischen Finanzministers oder weitergehenden Eingriffsrechten der Kommission in nationale Haushaltspolitiken werden daher immer wieder eine Absage erteilt werden, obwohl eigentlich alle unterstützen sollten, dass die Antwort auf die europäische Schuldenkrise „mehr Europa“ sein muss. 

Deutschland wird zum Anker Europas 

Europa ist stark und erweitert in das 21. Jahrhundert gestartet. Europa hat Stabilität und Wachstumsperspektiven in die mittel- und osteuropäischen Länder gebracht. Die europäische Integration sorgte dafür, dass die EU auf Augenhöhe mit den globalen Entwicklungen und Veränderungen blieb. Die Globalisierung wurde durch eine Entschärfung des Blockdenkens und eine stark wachsende Weltbevölkerung verstärkt. Die weltweite Arbeitsteilung erhöhte den globalen Wohlstand, besonders im ostasiatischen Raum. Viele europäische Unternehmen haben die sich bietenden Chancen genutzt. Wachsende Absatzmärkte weltweit, aber auch eine seit 1990 um 141 Mio. Einwohner gewachsene EU, sowie die Opportunität, neue EU-Mitgliedsländer als Standorte für arbeitsintensive Produktionsprozesse zu nutzen, ließen Umsätze und Erträge steigen. Zugleich gelang es Ländern wie Deutschland durch strukturelle Reformen die eigene Produktivität und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Andere Länder vertrauten darauf, industrielle Wertschöpfung durch Branchen des tertiären Sektors zu ersetzen. Die Ergebnisse sind bekannt. Der dynamische Erweiterungs- und Wachstumsprozess hat vielen deutschen Unternehmen Erfolg gebracht. Der deutsche Mittelstand ist hervorragend aufgestellt. Die strukturelle Robustheit von Familienunternehmen, die Reformen der Agenda 2010 und das bewährte Ausbildungssystem haben die deutschen Unternehmen schnell und gestärkt aus der Krise von 2008/2009 herausgeführt. Für diese Leistungen wird Deutschland bei seinen Nachbarn geachtet. Zugleich nehmen Ängste vor ökonomischer und politischer Hegemonie zu. Da Deutschland auf den Feldern Wirtschaft und Finanzen Vorbild- und Geberfunktion vereint, werden Vorbehalte auf anderen Handlungsfeldern artikuliert: Deutsche Unternehmen fördern im Vergleich zu Frankreich oder Skandinavien noch zu wenig Frauen. Das Bildungssystem wird hinterfragt. Deutschland muss diese Entwicklungen ernst nehmen und sich auch um seine Sympathiewerte in der EU kümmern. 

Euro-Krise fordert Reformfähigkeit 

Die Ursachen der Probleme in der Eurozone sind langfristiger Natur. Die aktuelle Schuldenproblematik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) ist weniger das Resultat einer konjunkturellen Krise, sondern vielmehr die Folge struktureller Fehlentwicklungen, wobei Anpassungserfordernisse verschleppt und mit privaten und öffentlichen Schulden verdeckt wurden. Eine Vielzahl an Reformen ist nun erforderlich. Die Subventionierung ganzer Volkswirtschaften unter dem Mantel der ökonomischen und sozialen Annäherung hat sich als falscher Weg erwiesen. Sowohl fiskalische Sparpakete als auch strukturelle Neuordnungen in verschiedenen Politikbereichen werden das Bild der Eurozone in 2012 und darüber hinaus bestimmen. Institutionelle und politische Rahmenbedingungen müssen neu gestaltet werden, um die Reformfähigkeit in einigen Euro-Ländern zu stärken. Einige Staatshaushalte und Volkswirtschaften sind vom Kollaps bedroht, und ihre Refinanzierungen an den Märkten geraten zunehmend unter Spekulationsdruck. Es ist offensichtlich, dass bei der Schaffung des Euro zwei gravierende Konstruktionsfehler in Kauf genommen wurden: Zum einen das Ungleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen und der monetären Dimension, bedingt durch eine unzureichende Koordinierung der einzelstaatlichen Wirtschaftspolitiken, zum anderen die institutionellen Friktionen zwischen den 17 Mitgliedstaaten im Euro und den 27 Mitgliedstaaten der EU. Die hohen Schulden und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger südeuropäischen Staaten sind auch auf ineffiziente Strukturen der Regierungsarbeit und der öffentlichen Verwaltung zurückzuführen, die Reformvorhaben erschweren. Um in Zukunft politisch reformfähiger und wirtschaftlich stabiler zu werden, müssen einige strukturelle Verbesserungen in diesen Bereichen realisiert werden. Zeitlich befristete „technokratische“ Regierungen in einigen Ländern könnten hierbei ein Zwischenschritt sein. Das muss nicht zwangsläufig weniger Staat bedeuten, aber effizientere administrative Strukturen zur Lösung der Probleme. Europa sollte dabei für die unternehmerische Freiheit stehen und weniger für bürokratische Überregulierung. Europa kann langfristig nur in Vielfalt geeint bleiben und ein innovationsfähiger Wirtschaftsstandort bleiben, wenn die politische Reformfähigkeit garantiert ist. 

Die EU muss sich neben dem aktuellen Krisenmanagement wieder stärker ihren Kernaufgaben widmen: Schaffung und Stärkung des gemeinsamen Marktes und Hebung der Potenziale und Innovationskräfte. Europa ist ein Traum, der stetig auf ein Neues zu realisieren ist. Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Energiewende und Migration kann die EU nur dann maßgeblich mitgestalten, wenn sie stark bleibt und sich darauf konzentriert, mit einer Stimme zu sprechen und global konsensfähige Lösungen anbietet. Die EU braucht neue Fitness für den asymmetrischen Wettbewerb mit China und anderen aufstrebenden Staaten. In der Außenwirkung muss die EU zu neuer Geschlossenheit und Stärke zurückfinden. 

Europäische Ordnungspolitik 

Die europäische Verwaltung hat im Berichtsjahr erneut eine Fülle von Vorschlägen für Gesetzgebungsakte, Konsultationen, Roadmaps und Leitlinien publiziert. Die von den Initiativen erfassten Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche investieren erhebliche Ressourcen in die Begleitung der europäischen Politik. Hinter der Vielfalt von Themen und Zielen wird die ordnende Hand einer übergreifenden Ordnungspolitik zunehmend unsichtbarer. Die Frage zum „Warum?“ vieler Initiativen und die zum „Warum nicht anders?“ kann und wird wegen des fehlenden ordnungspolitischen Grundrasters immer seltener gestellt. Wenn internationale Wettbewerbsfähigkeit ein zentrales Ziel Europas ist, muss dies auch entschlossen gefördert werden, und sinnhafte Instrumente dürfen nicht, wie die Praxis von beihilferechtlichen Verfahren zeigt, über Jahre in der Schwebe gehalten werden. 

Europa erfordert das Handeln jedes Einzelnen 

Die Eurokrise schärft auch den Blick auf das Risiko der institutionellen Überforderung. Sowohl die Kommission wie auch das Parlament praktizieren eine administrative Politik mit hoher Eingriffsintensität und geringer Kontrolle. Insbesondere bei der aktuellen Krisenbewältigung werden Systemstabilisierungen über den Erhalt der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer ökonomischen Grundlagen gestellt. Reformen, Konsolidierung, Verantwortung und Wachstum sind jedoch Handlungskategorien, die Menschen, Bürger, Unternehmen, Wissenschaftler und auch Politiker voraussetzen, die sich der praktischen Umsetzung annehmen. Die gemeinsamen Ziele in der EU und die europäische Vision erfordern das Handeln von Menschen und nicht nur das Funktionieren von Bürokratie. Wir haben viel vor uns, wenn wir einen neuen Wachstumsbegriff definieren, für rechtliche Stabilität sorgen, einen europäischen Haushalt und entsprechendes Kostenbewusstsein etablieren und „last but not least“ die europäische Bürgergesellschaft begründen wollen. 

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